T1 - Flexible Arbeitsprozesse
Im Fortschrittskolleg wurden erfolgreich sowohl eine Prozessbeschreibungssprache entwickelt, die eine Modellierung von flexiblen, adaptiven Arbeitsprozessen unterstützt, als auch ein methodischer Ansatz, um eine derartige Flexibilität hinsichtlich unterschiedlicher psychologischer Gerechtigkeitsaspekte in Entscheidungsprozessen zu realisieren.
Im Forschungskolleg soll dies verallgemeinert werden, so dass beliebige, in einem digitalen Zwilling dargestellte Eigenschaften einer menschlichen Akteurin oder eines menschlichen Akteurs Grundlage für eine Flexibilisierung von Arbeitsprozessen darstellen können. Hierzu soll eine geeignete Struktur eines digitalen Zwillings in enger Kooperation mit anderen Disziplinen entwickelt werden.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Gregor Engels, Institut für Informatik, engels[at]uni-paderborn.de, Universität Paderborn
Mit Abschluss der ersten Förderperiode liegt im Fachgebiet Produktentstehung die Validierungsumgebung für Arbeit 4.0 „Smart Automation Lab“ vor. Im geplanten Promotionsvorhaben sollen nun die Schnittstelle zwischen Office und Shop Floor und des Systems Engineers als „Dirigent“ des Produktionssystems untersucht werden. Dazu muss der Mensch mit seinen technischen Fähigkeiten und Eigenschaften aus dem Konzept der „Ressource“ gelöst und unter Einbeziehen von Unsicherheiten und Lernfähigkeiten abgebildet werden. Die Forschungsfrage lautet: Wie können mit Hilfe von Feature-basierten Produktmodellen die Arbeitsplanung automatisiert und damit durch Menschen und Maschinen ausführbare Produktionspläne geschaffen werden?
Das zu erschließende Potenzial liegt u.a. in der automatischen Erstellung von individuell angepassten Arbeitsplänen für Beschäftigte sowie der Unterstützung des Systems Engineers bei der Erstellung zugehöriger produzierbarer Produktmodelle. Die Forschungserkenntnisse werden Eingang finden in die laufende Überarbeitung des V-Modells für Cyber-physische Systeme in der VDI-Richtlinie 2206.
Ansprechpartnerin: Prof. Dr. Iris Gräßler, Heinz Nixdorf Institut, iris.graessler[at]hni.uni-paderborn.de, Universität Paderborn
Aus unseren bisherigen Studien im Fortschrittskolleg wissen wir, dass „Fairness“ auch dann ein Kriterium für die Beurteilung von Entscheidungen ist, wenn die Entscheidung nicht mehr von Führungskräften, sondern vielmehr von technischen Systemen getroffen wird. Damit intelligente technische Systeme in der betrieblichen Nutzung akzeptiert werden, ihnen Vertrauen entgegengebracht wird und deren Entscheidungen als fair eingeschätzt werden, müssen sie in die Lage versetzt werden, Entscheidungen transparent zu kommunizieren.
Das Ziel im Forschungskolleg ist es zu prüfen, wie technische Entscheidungen fair getroffen und kommuniziert werden können und inwieweit die Berücksichtigung individueller Präferenzen durch die digitale Abbildung zu positiveren Einschätzungen führt, im Vergleich zu normativen Entscheidungs- und Kommunikationsvorgängen.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Günter Maier, Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft, ao-psychologie[at]uni-bielefeld.de, Universität Bielefeld
In der bisherigen Forschung zur Gestaltung der Schnittstelle von Mensch und technischem System wurden ethische Fragestellungen wie z.B. Wertekonflikte kaum berücksichtigt. Sie treten u.a. dort auf, wo Entscheidungen über die Verteilung von Arbeitsaufgaben zwischen Mensch und technischem System in der soziotechnischen Konstellation getroffen werden, die dann als „digitaler Zwilling“ einer realen Entscheidungsinstanz Prozessketten entscheidend prägen. Die auf diese Art getroffenen Entscheidungen zwischen trade-offs verschiedener Steuerungsmerkmale wirken sich unmittelbar auf die (Veränderung von) Wertigkeit und Wertschätzung von menschlicher Arbeit in verschiedenen Berufen und Tätigkeitsfeldern sowie Möglichkeiten direkter zwischenmenschlicher Interaktion in Prozessketten aus. Diese „digitalen Zwillinge“ können unterschiedlichen Präferenzen, Menschenbildern und Technikvorstellungen folgen; Vor- und Nachteile von Algorithmen als Steuerer und Entscheider werden zurzeit kontrovers diskutiert. Das technisch Machbare – und eventuell auch Effizienteste - kann einer menschenzentrierten Abwägung der Stärken von Mensch und technischem System entgegenstehen und Entscheidungskompetenzen auf technische Systeme übertragen, die bestehenden Vorstellungen von Verantwortung und Autonomie widersprechen. Argumenten der effizienteren Steuerung stehen so Sorgen der Entmenschlichung und Sorgen der Entwertung von Beschäftigten entgegen. Zum Beispiel treten Wertekonflikte dort auf, wo Entscheidungen über die Verteilung von Arbeitsaufgaben in soziotechnischen Konstellationen bestimmte Arbeitsgruppen begünstigen und andere benachteiligen. Chancen für die Beseitigung von Diskriminierung, zum Beispiel nach Geschlecht oder Migrationshintergrund, in Entscheidungsprozessen durch Algorithmen steht das Argument gegenüber, dass Algorithmen Diskriminierungen festschreiben und dabei bestehende Ungleichheiten verfestigen oder neue Ungleichheiten schaffen. Auch die Reduktion von direkter zwischenmenschlicher Interaktion in der Verteilung von Arbeitsaufgaben in soziotechnischen Konstellationen und eine daraus resultierende geringere Chance des Austausches von Wertschätzung und Unterstützung im Arbeitsleben stellt einen Wertekonflikt dar.
Im Rahmen des Promotionsprojektes sollen Varianten „digitaler Zwillinge“ insbesondere im Hinblick auf die Verteilung von Steuerung und Entscheidung zwischen Beschäftigtem und technischem System in den Blick genommen werden. Mit Hilfe eines Vignettenexperiments, das diese Varianten „digitaler Zwillinge“ abbildet, soll zum einen untersucht werden, wie unterschiedliche Szenarien der Verteilung von Steuerungs- und Entscheidungskompetenz zwischen Beschäftigten und technischem System von verschiedenen Interessensgruppen (z.B. Entwicklung, betrieblicher Leitung, Gewerkschaft, Beschäftigte) bewertet werden. Zum anderen wird gefragt, inwiefern mit der Verteilung von Steuerung zwischen Mensch und technischem System in soziotechnischen Konstellationen a) eine Aufwertung oder Abwertung von Berufen einhergeht (z.B. Konsequenzen für Autonomie, Einkommen) sowie b) eine geringere zwischenmenschliche Interaktion in Betrieben stattfindet (z.B. Wegfall Vorgesetzter, wenig persönlicher Austausch mit Kollegen) und wie diese bewertet wird. Insbesondere wird berücksichtigt inwiefern dies c) zwischen Betrieben (z.B. aus unterschiedlichen Sektoren) und zwischen unterschiedlichen Beschäftigtengruppen innerhalb ein und desselben Arbeitszusammenhangs (z.B. in Abhängigkeit von Status, Geschlecht) variiert. Eine Möglichkeit des empirischen Zugangs ist ein Spin-Off Projekt aus der momentan laufenden Datenerhebung der dritten Welle des linked employer-employee Datensatzes LEEP-B3 zu entwickeln. Im Rahmen des Spin-Off Projektes sollen Betriebe, in denen digitale Steuerung eine Rolle spielt, auf Basis des neuen Frageblocks zur Digitalisierung von Arbeit identifiziert werden, um in vertiefenden Betriebsfallstudien die genannten Fragestellungen zu untersuchen. Damit ergibt sich auch die Möglichkeit, Rückschlüsse zu ziehen, wie Wertekonflikte in der Verteilung von Steuerung zwischen Mensch und technischen System in Abhängigkeit von beruflichen und betrieblichen Rahmenbedingungen entschieden werden. Zudem lassen sich erste Schlussfolgerungen treffen, inwiefern Mechanismen der Ungleichheitsgenese (z.B. Chancenhortung) bei der Verteilung von Arbeit zwischen Mensch und technischen System und ihre Auswirkungen für Gratifikationschancen von Beschäftigten spielen.
Ergänzend soll untersucht werden, inwieweit Wertekonflikte in anderen Promotionen des Forschungskollegs auftreten und ob die am oben genannten Beispiel erzielten Ergebnisse auf andere Szenarien übertragen werden können.
Ansprechspartnerin: Jun-Prof. Dr. Anja Abendroth, Fakultät für Soziologie, anja.abendroth[at}uni-bielefeld.de, Universität Bielefeld
Mit der Digitalisierung von Prozessen entstehen soziotechnische Systeme, bei denen menschliche und technische Entitäten interaktiv und gleichberechtigt miteinander kommunizieren, wechselseitig aufeinander verweisen und sich gegenseitig unterstützen, um ausgewählte Aufgaben zu erfüllen und zum Selbstverständnis und der Identität des Systems beizutragen. Die Entitäten können auch durch digitale Zwillinge ersetzt werden, woraus sich weitreichende Möglichkeiten zur mathematischen Analyse und Gestaltung soziotechnischer Systeme ergeben. Mit Blick auf die Analyse und Gestaltung der Kommunikations- und Organisationsstrukturen sollen mathematische Methoden (weiter-)entwickelt werden, um „Zielstrukturen“ zu entwickeln bzw. zu identifizieren und die menschen-zentrierte Gestaltung von Cyber-Physical Systems in Industrie 4.0 zielgerichtet zu ermöglichen.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Eckhard Steffen, Institut für Mathematik, es[at]uni-paderborn.de, Universität Paderborn
Beschäftigungsmerkmale charakterisieren die Beschäftigungsbeziehung, die wesentlicher Determinant für die soziale Position von Beschäftigten in der Gesellschaft ist. Die Ausgestaltung von Beschäftigungsmerkmalen bzw. der Beschäftigungsbeziehungen in (teil)digitalisierten Arbeitswelten wirkt damit einerseits auf die individuellen Möglichkeiten von Beschäftigten zur Verwirklichung persönlicher Lebensziele. Zum anderen bedingen sie Veränderungen in der Beschäftigungs- und Sozialstruktur. Im Vordergrund stehen dabei folgende grundlegende Beschäftigungsmerkmale: Grad der Autonomie, hierarchische Position, Flexibilität von Arbeitszeit, Arbeitsort und Ausübung der Tätigkeit sowie der Automatisierungs- und Digitalisierungsgrad von Arbeit. Inwiefern sich diese auf der Ebene von Arbeitsorganisationen und Beschäftigungsbeziehungen auf sowohl die Veränderung der Belegschafts- und Beschäftigungsstruktur als auch die konkreten Arbeitsbedingungen auswirken hängt auch vom Menschenbild ab, das digitalen Zwillingen zugrunde liegt, und welche Akteursinteressen hierbei implementiert werden.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Martin Diewald, Fakultät für Soziologie, martin.diewald[at]uni-bielefeld.de, Universität Bielefeld